Ab und an liest man von Beschuldigten, welche in Gerichtsverhandlungen die Frage stellen, ob sie ihre Betäubungsmittel nach dem Verfahren wieder ausgehändigt bekommen. Was nach der bisherigen Rechtslage eher eine witzige Anekdote unter Strafverteidiger:innen war, wurde mit Einführung des KCanG und der damit einhergehenden Entkriminalisierung des Besitzes bestimmter Mengen Cannabis zu einem Rechtsproblem, welches jetzt auch den Bundesgerichtshof beschäftigt hat.
Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG macht sich strafbar, wer außerhalb seiner Wohnung mehr als 30 g oder insgesamt mehr als 60 g Cannabis besitzt. Nach § 37 KCanG können Gegenstände, auf welche sich die Tat nach § 34 KCanG bezieht eingezogen werden. Es handelt sich um eine Einziehung von Tatobjekten nach § 74 Abs. 2 StGB.
Aber worauf bezieht sich die strafbare Tat nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG? Man hätte durchaus auf die Idee kommen können, dass strafbar ja nur der Besitz von mehr als 30 g Cannabis ist und demnach auch nur das Cannabis der Einziehung unterliegt, dass die 30-Grenze überschreitet.
Eine solche Konstellation hatte der Bundesgerichtshof nun zu entscheiden. Stark vereinfacht und unter Vernachlässigung weiterer Aspekte: Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte 150 g Cannabis zum Eigenkonsum außerhalb seiner Wohnung in Besitz. Die Frage war nun zumindest auch: bekommt der Angeklagte nach der Verhandlung 30 g davon zurück oder unterliegt alles der Einziehung?
Der erste Strafsenat geht vom Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG aus und urteilt: es wird alles eingezogen. Das beschlagnahmte Cannabis geht in das Eigentum des Staats über, § 75 StGB. Dies würde sich auch daraus ergeben, dass § 2 des KCanG den Umgang mit Cannabis grundsätzlich verbietet und das Gesetz nur Ausnahmen von diesem Verbot macht. Auch soll die Einziehung das strikte Ziel des Gesetzgebers, Besitz über die erlaubten Grenzen hinaus zu verhindern, unterstützen. Dies gehe aber nur dann, wenn man das gesamte Cannabis einzieht (zum Ganzen: Beschluss v. 12.06.2024 – 1 StR 105/24).
Für die Praxis der Strafverteidigung ändert sich wenig: in Fällen, in denen Cannabis sichergestellt wurde und eine Strafbarkeit des Besitzes feststeht, wird der anwaltliche Rat regelmäßig lauten, einer Einziehung zuzustimmen, um an diesem Punkt Auseinandersetzungen zu Vermeiden und stattdessen das Verfahren anderweitig – bspw. durch eine Einstellung wegen Geringfügigkeit – zu einem günstigen Ende zu bringen. Das Cannabis bekommt der Beschuldigte am Ende nicht zurück – er ist auf legalen Neuanbau angewiesen.
Interessanter Nebenaspekt der Entscheidung ist, dass die Einziehung auch im Fall einer Ordnungswidrigkeit nach § 36 KCanG angewendet werden kann. Wer also aus Versehen 28 g Cannabis mit sich führt, macht sich nicht strafbar, läuft aber Gefahr neben dem ohnehin fälligen Bußgeld auch die 28 g Gras an den Staat übergeben zu müssen. Inwieweit die Bußgeldbehörden in der Praxis davon Gebrauch machen werden, bleibt abzuwarten.