Landgericht Leipzig verurteilt Freistaat Sachsen zu Schadensersatz in Millionenhöhe wegen amtspflichtwidriger Nichtberufung auf ausgeschriebene W3-Professur der Universität Leipzig

Am 15.05.2017 gab das Landgericht Leipzig der durch Rechtsanwalt Robert Uhlemann, Kanzlei Sturm Rechtsanwälte, gefertigten Schadensersatzklage eines nicht berücksichtigten Bewerbers statt. Der Bewerber war von allen drei externen Gutachtern als der i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG geeignetste Bewerber bewertet worden. Von der Berufungskommission wurde er einstimmig auf Listenplatz eins gesetzt. Die Liste wurde vom Fakultätsrat bestätigt. Allein die Rektorin der Universität weigerte sich, dem Bewerber den Ruf zu erteilen. Sie erteilte stattdessen der mindergeeigneten Zweitplatzierten den Ruf. Die Kammer des Landgerichts Leipzig folgte der klägerischen Rechtsansicht, wonach nur in begründeten Ausnahmefällen eine Befugnis des Rektors bestehe, vom Berufungsvorschlag der Berufungskommission abzuweichen. Aus der Wissenschaftsfreiheit folge die Pflicht des Gesetzgebers, das Berufungsverfahren so auszugestalten, dass den habilitierten Wissenschaftlern einer Fakultät ein ausschlaggebender Einfluss auf das Berufungsverfahren und die entsprechende Entscheidungsfindung zukommt. Könnte der Rektor ohne weiteres vom Berufungsvorschlag abweichen, läge hierin eine Durchbrechung der fachlichen Einschätzungsprärogative der betroffenen Fakultätsmitglieder. Eine Ausnahme darf dabei regelmäßig nicht in der Eignung des Bewerbers wurzeln. Zu denken ist vielmehr an personalwirtschaftliche und personalpolitische Erwägungen als Ausfluss des Organisationsermessens des Dienstherrn, die der Rektor für die Hochschule als Gesamtheit anstellt.

Die Kammer folgte der Klage, wonach es weder die Fortführung der traditionellen Linie der Erziehungswissenschaften, noch eine besondere Ausgewiesenenheit auf dem Gebiet der Genderforschung oder der Aspekt der Frauenförderung rechtfertige, einer nach Einschätzung der Berufungskommission mindergeeigneteren Bewerberin den Ruf zu erteilen. Die beiden erstgenannten Gründe betreffen allein die Eignung der Bewerber, deren Einschätzung allein der Berufungskommission vorbehalten ist. Bei dem Aspekt der Frauenförderung handelt es sich zwar um eine im Rahmen des § 60 Abs. 4 S. 5 bis 9 SächsHSFG grundsätzlich zulässige personalpolitische Erwägung. Eine personalpolitisch gewünschte Erhöhung der Frauenquote rechtfertigt aber, wie § 2 Abs. 1 des Sächsischen Frauenförderungsgesetzes ausdrücklich klarstellt, keine Abweichung von dem in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten vorbehaltlosen Leistungsprinzip.

Die Kammer sah außerdem den klägerischen Vortrag im Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen an, wonach die Rektorin ein über den Kläger verbreitetes haltloses Gerücht sexueller Belästigung initiiert und über den Dekan der Fakultät verbreitet hat. Sie habe sich in Folge dessen im Rahmen ihrer Ermessensausübung von sachfremden Erwägungen leiten lassen.

LG Leipzig, Urteil v. 15.05.2017, Az. 07 O 3558/15

Anmerkung: Das Urteil des Landgerichts ist weder eine Absage an die Berücksichtigung von Gleichstellungsgesichtspunkten, von Frauenförderung, „Genderwahn“ oder gar „Genderquatsch“ noch sonst eine allgemeingültige Meinungskundgabe. Es handelt sich ausschließlich um eine zutreffende Anwendung von Recht und Gesetz im Wege der Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage. 

Rechtsanwalt Robert Uhlemann, Dresden (Stand 25.05.2017)

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