Unter dem Begriff “Berliner Testament” wird dem Grundsatz nach die gegenseitige Einsetzung der Ehegatten als Erbe des erstversterbenden Ehegatten verstanden, vgl. § 2269 BGB. Oft wird hiermit die gemeinsame Bestimmung eines Nacherben bzw. Schlusserben durch die Ehegatten verknüpft.
In rechtlicher Hinsicht gibt es drei verschiedene Gestaltungsmodelle der letztwilligen Verfügung von Ehegatten, die unter dem Oberbegriff “Berliner Testament” zusammengefasst werden.Die Trennungslösung beinhaltet, dass der überlebende Ehegatte als Vorerbe des erstversterbenden Ehegatten berufen wird und ein Dritter dann zum Nacherben im Zeitpunkt des Versterbens des überlebenden Ehegatten. Außerdem wird der Dritte als Ersatzerbe für den erstversterbenden Ehegatten eingesetzt, da der vorverstorbene Ehegatte dann bereits nicht mehr als Vorerbe zur Verfügung steht. Die Trennungslösung hat zur Folge, dass in der Hand des überlebenden Ehegatten zwei getrennte Vermögensmassen vorhanden sind, nämlich der Nachlass des vorverstorbenen Ehegatten und das eigene Vermögen des überlebenden Ehegatten. Weiterhin ist der überlebende Ehegatte als Vorerbe hinsichtlich seiner Verfügungsbefugnis über den Nachlass des vorverstorbenen Ehegatten als Sondervermögen gemäß den §§ 2113 – 2115 BGB beschränkt.Die Einheitslösung sieht die gegenseitige Einsetzung der Ehegatten als Alleinerben (Vollerben) vor und die Einsetzung eines Dritten nach dem Tod des überlebenden Ehegatten als Schlusserben. Weiterhin wird der Dritte jeweils als Ersatzerbe für den vorversterbenden Ehegatten eingesetzt, weil auch in dieser Konstellation der vorversterbende Ehegatte nicht mehr zum Erbe berufen werden kann. Die Einheitslösung hat zur Folge, dass sich das Vermögen in der Hand des überlebenden Ehegatten vereinigt und dieser grundsätzlich frei über das gesamte Vermögen verfügen kann. Der Dritte erbt dann das, was im Zeitpunkt des Versterbens des überlebenden Ehegatten noch vorhanden ist.
Eine dritte Gestaltungslösung, die Nießbrauchslösung, existiert vor allem aus steuerlichen Gründen. Dabei wird zur Verminderung der Erbschaftssteuer der Dritte bereits beim Versterben des erstversterbenden Ehegatten als Vollerbe berufen und dem überlebenden Ehegatten im Wege des Vermächtnisses ein Nießbrauch am Nachlass eingeräumt. So kann beispielsweise das im Miteigentum der Ehegatten stehende Hausgrundstück (Familienwohnhaus) schon beim ersten Erbfall zum Teil auf die Kinder übertragen werden und gleichzeitig dem überlebenden Ehegatten ein lebenslanges Wohnrecht daran gesichert werden. Dies hat zur Folge, dass der Dritte (ggf. das gemeinsame Kind der Ehegatten) bereits beim ersten Erbfall einen Teil des Nachlasswerts, reduziert um den Wert des Nießbrauchs (das Wohnrecht) erhält und dann beim zweiten Erbfall den verbleibenden Teil. Da der Steuerfreibetrag für jeden Erbfall gesondert anfällt, kann auf diese Weise der dem Abkömmling zustehende Steuerfreibetrag des Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetzes, mehrfach genutzt werden.
Rechtsanwalt Robert Uhlemann, Stand 23.01.2023